Ich habe nichts erwartet. Und dafür überraschend viel bekommen!
Nein, Folge 84 ist kein Serienhighlight und es brennt auch nicht der Hof ab. Aber Petrick liefert hier eine absolut kurzweilige und mit sehr simplen Mitteln doch recht interessante Geschichte ab, die zwar einerseits auf sehr bekannten Spuren wandelt (Westernturnier, ausgebüxte Pferde, kranke Pferde, Sabotageverdacht, Wiedersehen mit alten Kontrahenten, Vanessa als Unterstützerin der Gegenseite), aber dennoch frisch und anders wirkt - und zwar, weil Wendy Thorsteeg hier komplett auseinandergenommen wird. Nicht körperlich - das wäre wohl auch ein bisschen zu krass

- aber charakterlich. Die Geschichte spielt extrem geschickt mit den Erwartungen von Hauptfigur und Zuhörern. Die Wahl von Roland Renner als alter Gegenspieler ist dabei nichts weniger als perfekt, denn:
- Der Fan kennt die Figur schon aus der 41 (Gegner mit bereits erzählter Verbindung zu den Hauptcharakteren: Check!)
- Schon dort wurde er als "kein neuer Antagonist" eingeführt (Tief sitzender Hass von Wendy, der glaubwürdig rüberkommt: Check!)
- Er hatte damals keine Sprechrolle (Man kennt ihn nur vom Hörensagen und weiß nicht, wie er einzuschätzen ist: Check! Und: Rolle muss nicht neu besetzt werden: Check!)
Die Verweise auf Folge 41 sind dabei mit der Zeit ein bisschen sehr gewollt, ein, zwei Erwähnungen weniger hätten es auch getan. Anscheinend wollte Petrick hier unbedingt verdeutlichen, dass er auch mal ne ältere Folge gehört hat. Okay, gestehe ich ihm zu
Wendy wird hier mit dem Rücken zur Wand gestellt. Sogar Bianca erdreistet sich, die Stimme gegen sie zu erheben (und wird - natürlich - dafür angefahren. Wer jetzt einwenden will, dass das zu der super-sympathischen Wendy nicht passt, der hat bei der Serie offensichtlich nie wirklich gut zugehört), Bonnie ist auch enttäuscht von ihr, Vanessa ist auch keine Hilfe (was man gerne ein bisschen mehr hätte ausschmücken dürfen) und dann ist da noch Roland, der so ekelhaft nett wirkt und dem dann auch noch eine Totes-Pferd-Story angehängt wird.
Ich würde sogar soweit gehen und sagen: Eine Wettkampf-Sabotage-Story wurde erzählerisch selten so gelungen aufgebaut wie hier. Nelly Sand hätte es nie geschafft, den Hörer ins Grübeln zu bringen, ob Kontrahent XY nicht doch unschuldig ist, ob Wendy nicht doch überreagiert. Besser kannst du einen so dermaßen ausgelutschten Plot nicht mehr aufwärmen.
Woran hapert es? Nun ja, einmal mehr hätte die Story ein paar zusätzliche Charaktere gut vertragen können, durch die das Szenario verschärft wird. Dass man Gunnar nicht mehr neu besetzen wollte, geschenkt, aber Heike oder Herta Thorsteeg wären Optionen gewesen, Flavio oder Michael ebenfalls, Oliver ja sowieso. Zwischendurch hängt die Story bei der Pferdesuche auch kurz mal durch, bei so was höre ich mittlerweile automatisch nur noch mit halbem Ohr hin. Hätte nicht unbedingt sein müssen, sowas kann man nach über 80 Folgen auch gerne mal getrost nacherzählen.
Größter Kritikpunkt dürfte aber auf jeden Fall das sehr unglaubwürdige Ende sein, das einfach zu sehr Kiddinx-like ist und keinen letzten starken Twist bietet.
Etwas, für das Buch zugegebenermaßen wenig kann, ist dann auch die Leistung von Wanja Gerrick, bei dem man vor allem zu Beginn extrem merkt, dass er reingeschnitten wurde, er klingt ziemlich am Dialog vorbei, erst später pendelt sich das etwas besser ein. Die letzte Sequenz nimmt man ihm nicht ab. Schade, das ist so im Grunde das, was insbesondere auf der Zielgeraden noch einiges kostet. Ferner macht es sich die Geschichte Bibi & Tina-like etwas zu einfach damit, dass Wendy als DIE Pferdekennerin natürlich superduper mit Firestorm zurechtkommt, aber auch diesbezüglich werden ja gewisse Fallstricke eingebaut und ich denke, damit die Story so funktionieren kann, musste das halt sein. Wird ja zum Glück auch nicht übertrieben ausgewalzt.
Ranja Bonalana darf hier zickiger agieren als Melanie Hinze und das macht einfach richtig Spaß. Man merkt, wie sehr Wendy es hasst, einen eigenen Fehler zugeben zu müssen. Ihr gesamtes "Ich bin viel cooler und netter als meine Cousine"-Image, das mir schon immer mal mehr, mal weniger gegen den Strich ging, wird hier infrage gestellt und sie kommt damit einfach so gar nicht klar. Es ist lustig und so unglaublich passend zugleich.
Allgemein ist auch die Charakterisierung von Vanessa endlich mal wieder etwas näher an den Ursprüngen dran. Man kann halt auch wenig falsch machen, wenn man sie in ein altbekanntes Szenario reinwirft.
Gefreut hat mich auch, dass es mit der Anti-Wendy-Kampagne nicht übertrieben wurde und Stefanie Scherer eher Contra Renner war. Gerade das führt zu einem weiteren starken Moment: Wendy verteidigt ihren Erzrivalen vor ihr. Welch geniale Ironie.
Etwas erschrocken bin ich bei der Sprecherleistung von Ilona Schulz, die fünf Folgen vorher noch eine wesentlich bessere Bonnie abgeliefert hat.
Lina Rabea Mohr geht als Bianca einmal mehr ziemlich unter, kann aber durch ihre Meinungsverschiedenheit mit Wendy dennoch hier und da ein paar Nadelstiche sitzen. Viel mehr kannst du aus einer Figur, die nie besonders spannend angelegt war und im Prinzip ja nur Wendys Sidekick und Ja-Sagerin sein soll, auch nicht rausholen. Das wurde eigentlich lediglich in Folge 48 noch besser gemacht.
Fazit: Eine unter den gegebenen Umständen fast schon herausragende Geschichte, der leider auf der Zielgeraden ein bisschen die Puste ausgeht. Dirk Petrick demontiert den Charakter Wendy hier auf eine absolut perfide und treffende Weise und ich frage mich wirklich, warum er so einen Schund wie 79 und 82 verfassen musste, wenn er es doch so viel besser kann.
Die Geschichte ist kurzweilig, unterhaltsam, hat fast keine Längen, ist solide umgesetzt und macht einfach Spaß. Ich war bei einer 7, aber was soll der Geiz... 8 Punkte!
Und ob es das nun wirklich war oder nicht, sehen wir ja dann spätestens im Februar
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„Vorsicht, Benjamin! Herr Schmeichler will dir schmeicheln!“
BeBl 63 - Der Computer
„Ich find die Idee gar nicht schlecht, Vater!“
„Gar nicht schlecht ist noch lange nicht gut. Du musst endlich einmal lernen, deine Meinung klar kundzutun!“
„Eben hat er sie noch ... kundgetan.“
„Ja, Herr Graf! Alex war sogar begeistert!“
B&T 20 - Mami siegt